Ich wär lieber Rotwein als Wasser
- Elle
- Jun 23, 2019
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„Ich kann nicht ohne dich leben!“ „Du bist für mich die Luft, die ich zum Atmen brauch!“
Solche Gefühlsausbrüche werden gemeinhin als romantisches Nonplusultra verstanden. Sie wurden in Popsongs verewigt und verhelfen in Ehegelübden zum nötigen Tränenfluss.
Doch persönlich kann ich mit ihnen nichts anfangen. Was ist so speziell daran gebraucht zu werden? Ist das ein anzustrebendes Ziel?
Analogien sind in Liebesgelübden ein gerngesehenes Muster, auch wenn sie so plump daher kommen wie der Vergleich der Liebe des Lebens mit Luft. Deshalb ziere ich mich auch nicht, mein Gegenargument ebenso mit einem Vergleich an meine Leserinnen zu bringen.
Lasst uns die zu Beginn erwähnten Zitate fertig-denken. Was brauchen wir wirklich, un-analogisch zum Überleben?
Mir fällt da spontan vor allem Wasser ein. Das ist extrem notwendig, ohne ginge es nicht. Meine Wertschätzung für ebendieses Lebenselixier ist jedoch bestenfalls bescheiden. Ja, ich bin froh gesicherten Zugang zu Wasser zu haben, aber selten lechze ich danach. In gelegentlichen Momenten des akuten Dursts, ja, da bin ich immens dankbar für die Existenz von H2O. Aber sonst? Im Alltag? Lässt mich Wasser so ziemlich kalt. Rotwein hingegen, der lässt mein Herz schneller schlagen. Ich weiss mit absoluter Sicherheit, dass ich Rotwein nicht zum Überleben brauche, aber trotzdem – oder gerade deswegen? – erfreue ich mich an ihm exponentiell mehr als an seinem langweiligen Kumpel, dem ach so notwendigen Wasser.
In dieser Analogie möchte ich also persönlich lieber vom Wein als vom Wasser repräsentiert werden. Will heissen: Ich will nicht gebraucht werden, weil ich es langweilig finde, jemandem ganz einfach beim Überleben zu dienen. Ich möchte viel mehr einen gewissen Spassfaktor in das Leben anderer bringen.
Und dann ist da noch eine zweite Komponente: Wenn ich etwas wirklich brauche, dann ist das ein relativ egoistisches Bedürfnis. Ich will es, weil ich sonst aufhöre zu existieren. Brauche ich etwas aber nicht, sondern will ich es einfach „nur“, so ist es wirklich die Sache an sich, die mich sie wollen lässt. Kein primitiver Selbsterhaltungstrieb, nein, eine der Sache inhärente Qualität lässt mich sie wollen. Ich glaube das wertet mein Wollen auf.
Und so sollte es meiner Meinung nach auch in Beziehungen sein: Wenn ich dich nicht brauche aber dennoch will, so weisst du, dass ich dich deinetwillen will. Klar, Egoismus ist auch hier im Spiel, aber dezenter. Ich will dich weil du bist, wer du bist. Klar, ich könnte auch ohne dich, aber dennoch will ich dich. Ist das nicht unglaublich aufregend? Mein Leben ist intakt, ich komme einwandfrei durch den Tag, mir fehlt es an nichts und dennoch will ich dich. Ist das nicht das grösste Kompliment das wir einander machen können?
Nein, du bist nicht das Blut in meinen Adern, das ich zwar zum Leben brauche aber meist ignoriere. Du bist das Glas Rotwein zu meinem sowieso schon genialen Pasta Teller von Leben, das ich zwar nicht brauche, aber das ich will: ganz einfach weil es so unglaublich lecker ist.
Das, liebe Freunde, ist für mich der schönste Liebesbeweis.
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