Socken
- Elle
- Jul 30, 2018
- 3 min read
Updated: Sep 6, 2018

Socken sind mir ein Rätsel und ich spreche hier nicht einmal von der faszinierenden Unaufhaltsamkeit mit welcher sich einer im Paar jeweils pflichtbewusst auf dem Heimweg von der Waschmaschine ins Niemandsland verirrt.
Nein, was mich fasziniert, ist die Beziehung vom Mensch zu seinen Socken. Konkret interessiert mich der Moment wenn sich eine Socke ein Loch aneignet.
Es kommt nur allzu oft vor, dass ich fröhlich hüpfend durch die Welt stolpere während mindestens eine meiner Zehen komplett befreit von ihrem Stoff-Gefängniss nackig in meinem Schuh ihrem Dasein frönt. Und dann frage ich mich jeweils: Wie viele andere Zehen spähen just in diesem Moment durch andere Socken von anderen Menschen hindurch? Versucht der Verkäufer, der mir gerade mein Wechselgeld reicht, in diesem Moment seinen neu befreiten Zeh wieder zurück in die Socke zu wursteln, direkt hier und jetzt, unter dem Tresen? Verschiebt die Professorin, die mir gerade zu erklären versucht weshalb meine Forschungsmethode noch Verbesserungspotential hat, ihr Gewicht von einem Bein aufs andere weil sie das Gefühlt hasst, mit dem ihr nackter, grosser Zeh von ihrem ganzen Körpergewicht direkt in die harte Schuhsohle gepresst wird?
Und worauf ich noch viel neugieriger bin: Glaubt ihr es gibt im Ernst Leute, die morgens ihre Socken montieren, merken dass einer ein Loch hat, und diesen dann direkt in den Abfall schmeissen und stattdessen einen nicht-löchrigen Socken anziehen? Denn solange ich nun bereits schon Socken besitze habe ich das noch kein einziges Mal gemacht. Ich stülpe mir die Socke jeweils pflichtbewusst über den Fuss und ärgere mich dann den ganzen Tag lang über das unangenehme Gefühl.
Ich glaube der Hauptgrund, weshalb ich löchrige Socken nicht sofort entsorge liegt in meiner Beziehung zum Socken-Kauf: Socken sollten meiner bescheidenen Meinung nach keine Verbrauchsgegenstände sein. Wenn man sich einmal ein Paar Socken zugelegt hat (ok, meinetwegen ein Paar für jeden Wochentag plus ein paar Extra für Wochen in denen ans Waschen nicht zu denken ist (i.e. jede Woche)), also, hat man mal Socken, dann sollten die meiner Meinung nach ein Leben lang halten. Ich meine, Socken kaufen macht nun echt keinen Spass und wesshalb sollte ich mein hart verdientes Geld regelmässig für etwas ausgeben DAS ICH BEREITS EINMAL GEKAUFT HABE!?
Es ist ja bei Socken nicht so wie bei Zahnpasta oder Klopapier wo es mir absolut einleuchtet dass ich sie ersetzen muss wenn ich sie aufgebraucht habe (oder im Idealfall sogar bereits bevor ich sie aufgebraucht habe). Aber wieso nun scheinen Socken in diese Kategorie von Verbrauchsgegenständen zu fallen und nicht etwa in die viel naheliegendere Kategorie von “Kleidungsstücken”? Es käme doch nie jemandem in den Sinn sich einen Pulli anzuschaffen und dann nach ein paar Monaten (Wochen) zu merken, dass sich ein Loch gebildet hat, nur um dann zu sagen “ups, ein Loch. Da gehe ich besser in die Stadt und kaufe mir DEN EXAKT SELBEN PULLI DEN ICH JA EIGENTLICH SCHON BESITZE!” Mit jedem anderen Kleidungsstück käme man kaum je auf die Idee es mit dem exakt selben Ding zu ersetzen, sollte es überhaupt jemals so weit kommen. Und, klar, das hat bestimmt auch damit zu tun dass der Anschaffungspreis für einen Pulli oder eine Jeans merklich über dem eines Paar Socken liegt. Aber dennoch, ich fühle mich jedes Mal an der Nase herumgeführt wenn ich mir schon wieder ein Paar Socken kaufen muss!
Um diesem Problem wenigstens leicht entgegenzuwirken habe ich begonnen mir hübsche Söckchen zu kaufen. Somit kann ich, wie bei anderen, normalen, Kleidungsstücken, im Falle eines Totalschadens das Objekt mit einem komplett anderen ersetzen womit sich mein Anfall von “ABER ICH HAB GENAU DAS DING SCHON MAL GEKAUFT” meist vermeiden lässt. Aber das Ding mit diesen hübschen Söckchen ist ja: Die kosten sogar noch mehr als normale Socken und gehen mindestens genauso schnell kaputt! So fühlt es sich dann tatsächlich schon fast so an, als müsste ich meinen 80-fränkigen Pulli mehrmals im Jahr ersetzen: Überhaupt nicht unterhaltsam.
Socken. Kleine, notwendige, hinterlistige Arschlöcher ohne die man aber irgendwie einfach weniger gemütlich durchs Leben spaziert. Ich werde also weiterhin Socken tragen, Socken kaufen, und vor allem Socken mit Löchern so lange tragen bis die Gefahr von durchtrennten Zehen-Venen zu hoch wird. Wenn wir uns also das nächste Mal über den Weg laufen und du dich fragst ob da, in meinen glitzerigen, selbstbewussten Boots eine nackige Zehe durch die Socke lugt, dann ist die Antwort mit grösster wahrscheinlichkeit ein lautes JA!
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